Über Artistic Research an der MUK

Auf Initiative der Vizerektorin für Forschung wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, um das Profil der Forschung an der MUK, insbesondere hinsichtlich der Unterscheidung von Entwicklung und Erschließung der Künste, künstlerischer Forschung und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Kunst, zu schärfen. Alle drei Bereiche werden an der MUK unter dem international etablierten Fachterminus Artistic Research subsumiert. Ihre Unterscheidung ist nicht mit einer qualitativen Wertung verbunden, sondern basiert auf Differenzen in der theoretischen Einbettung, Methodik, Dokumentation bzw. dem Wissenstransfer.

Entwicklung und Erschließung der Künste

Die Entwicklung und Erschließung der Künste (EEK) ist zentraler Auftrag des österreichischen Gesetzgebers an Kunstuniversitäten und damit wesentlicher Bereich ihrer Selbstdefinition sowie integraler Bestandteil von Arbeitsverträgen von Professor*innen und Studiengangsleiter*innen an der MUK. Unter EEK versteht man eine Form der Erkenntnisgenerierung, die aus der künstlerischen Praxis erwächst und weitgehend wieder in diese einfließt. Dabei sind eine informierte und reflektierte Vorbereitung, eine qualitativ hochwertige künstlerische Durchführung und eine nachvollziehbar argumentierbare Nachbereitung die zentralen Eckpfeiler. EEK unterscheidet sich in diesem Streben nach Erkenntnis von der künstlerischen Praxis, wenn auch die Übergänge fließend sein können.

Der Prozess der EEK verläuft informiert und reflektiert (Crispin 2016, 58). Das heißt, die jeweiligen Künstler*innen setzen sich ausgehend von konkreten Fragestellungen mit den vorhandenen Quellen tiefgreifend auseinander und kontextualisieren sowie diskutieren diese kritisch im Zuge der Vorbereitung und der Aufführung. Dabei kann es auch zu einer Zusammenarbeit mit Wissenschafter*innen kommen. Aufgrund dieser informierten und reflektierten Bearbeitung werden die Interpretationen bzw. Aufführungen nachweislich verändert. Darüber hinaus sind die forschenden Künstler*innen in der Lage, die getroffenen Entscheidungen argumentativ zu begründen und damit nachvollziehbar zu machen. Das heißt, der Prozess der künstlerischen Auseinandersetzung muss verbalisierbar sein, aber nicht notwendig verschriftlicht werden. Durch diese Vermittlung wird EEK transparent und nachvollziehbar, was insbesondere für die Lehre maßgeblich ist. EEK findet meistens projektbezogen statt und regt über den erzielten Erkenntnisgewinn hinaus zur Weiterentwicklung und Fortführung an; so beispielsweise zur Erweiterung des Repertoires.

 

Künstlerische Forschung

Die Kriterien für künstlerische Forschung reichen bezüglich der theoretischen Einbettung, der Methodik und Dokumentation weiter als diejenigen für EEK.

So geht künstlerische Forschung von einer oder mehreren konkreten Forschungsfragen aus und positioniert sich zu bzw. grenzt sich in deren Bearbeitung von anderen (Forschungs-)Ansätzen innovativ ab. Über die Reflexion der Künste selbst können diese Fragen zugleich relevant für andere wissenschaftliche Bereiche sowie die Gesellschaft sein (Borgdorff 2012, 81–85). Die Forschungsfragen basieren damit stärker als bei EEK auf einer Auseinandersetzung mit relevanten theoretischen Diskursen bzw. gehen aus diesen hervor. Dadurch weisen sie klare Bezüge zum „State of the Art“ an Wissen auf.

Zudem zeichnet sich künstlerische Forschung durch eine systematische, nachvollziehbare und wiederholbare Methode aus. Nicht nur die (subjektiv) erfahrbare Erkenntnis der Forschenden ist folglich essentiell, sondern auch der Prozess, der zu dieser Erkenntnis geführt hat, und vor allem dessen Reflexion. Die jeweiligen Methoden und Dokumentationsformen sind dabei durch den Forschungsgegenstand bzw. das konkrete Erkenntnisinteresse selbst bedingt. Sie können für ein spezifisches Projekt neu entwickelt oder aus einer anderen Disziplin entlehnt werden. Folglich strebt auch künstlerische Forschung hinsichtlich der Qualitätssicherung nach den internationalen Standards guter wissenschaftlicher Praxis: Wiederholbarkeit, Nachprüfbarkeit sowie Begründung bzw. Argumentierbarkeit von Hypothesen durch Belege (AEC 2015, 3). Diese Standards gelten auch für die künstlerisch-wissenschaftlichen Abschlussarbeiten an der MUK, die prinzipiell im Bereich der künstlerischen Forschung zu verorten sind.

Ebenso wie bei EEK kommt der künstlerischen Praxis in der künstlerischen Forschung ein zentraler Stellenwert zu. Häufig wird dazu das Medium „Bühne“ zu einem Labor für eine forschende Auseinandersetzung (Badura 2015, 24). Das in der künstlerischen Praxis generierte Wissen wäre durch historische oder systematische Analysen alleine nicht zu gewinnen gewesen. Im Gegensatz zu EEK steht dieses Wissen aber sowohl in der Vorbereitung, der Durchführung sowie in der Nachbereitung des Projekts in einer komplementären Relation zu einer kritischen theoretischen Auseinandersetzung. Diese notwendige Korrelation führt häufig zu einer transdisziplinären Ausrichtung von künstlerischer Forschung, was sich unter anderem in dem Einbezug von Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften bzw. verschiedenen Künsten niederschlägt (Peters 2017, 25). Sie zeigt sich darüber hinaus auch in der häufigen Zusammenarbeit in interdisziplinären Arbeits- und Projektgruppen (Künstler*innen / Wissenschafter*innen). Künstlerische Forschung hat in der Regel einen prozesshaften Charakter.

Darüber hinaus ist die kritische Reflexion der Ergebnisse und Methoden für künstlerische Forschung, deren Dokumentation sowie Publikation maßgeblich. Die Aufführung eines künstlerischen Werkes ist als ausschließliche Publikation der Forschungsergebnisse in der Regel nicht ausreichend (AEC 2015, 5). Im Sinne des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF sind Publikationen bei künstlerischer Forschung jedoch nicht auf das geschriebene Wort beschränkt, sondern schließen auch andere, ggf. experimentelle (Präsentations-)Formen des Wissenstransfers ein.

 

Kooperationen zwischen Kunst und Wissenschaft

Eine Besonderheit der MUK stellt vor allem im Bereich „Veranstaltungen“ die Schwerpunktsetzung auf Kooperationen zwischen Kunst und Wissenschaft dar. Diese finden meist personell in der aktiven Zusammenarbeit von Künstler*innen und Wissenschafter*innen in Form von Gesprächskonzerten, Tagungen, Workshops, Podiumsdiskussionen oder Ähnlichem statt. Im Gegensatz zu EEK und künstlerischer Forschung kommt es hierbei zwar zu einer wechselseitigen Ergänzung sowie Bereicherung der beiden Felder Kunst und Wissenschaft, diese verbleiben aber in der Regel in ihrer Eigenständigkeit. Insbesondere bei künstlerischer Forschung gehen hingegen im Idealfall aus der Synergie von Kunst und Wissenschaft Erkenntnisse hervor, die die Eigenständigkeit dieser beiden Bereiche überschreiten.

Sowohl bei Kooperationen zwischen Kunst und Wissenschaft als auch bei EEK sowie bei künstlerischer Forschung besteht ein reger Austausch zwischen Lehre und forschender Praxis, was nicht nur in projektbezogenen Unterrichtsformaten, sondern auch durch die gezielte Vermittlung von künstlerischem Wissen sowie von Methoden der künstlerischen Forschung deutlich wird.