Historische Aufführungspraxis im Spannungsfeld
Internationales Symposium
im Rahmen der Resonanzen
Die Debatten über musikalische ‚Authentizität’ haben seit den 80er Jahren die Legitimität der so genannten ‚historischen’ Aufführungspraxis stark in Frage gestellt. Denn die neopositivistisch geprägte Idee, ein musikalisches Ereignis der Vergangenheit könne „so wie es gewesen“ rekonstruiert werden, ist der Feststellung gewichen, dass eine Aufführung lediglich das historische Moment ihrer Konkretisierung dokumentiert. Die Unmöglichkeit einer letzten Wahrheit in der Interpretation eines musikalischen Textes ist selbst von einigen Vertretern der so genannten „authentizistischen“ Strömungen der 60er-70er Jahre thematisiert worden. Im Zentrum dieses Symposiums soll die so genannte „historische Aufführungspraxis“ selbst als historisches Phänomen stehen, nämlich als variables Verhältnis zwischen Kenntnis der historischen Fakten und deren praktischer Umsetzung. Dabei hat die Mode als sozial-wirtschaftlich bedingter Übertragung ästhetischer Modelle neben der Wissenschaft ein großer Anteil an der Konstituierung einer Praxis zugeschrieben, die im Namen der ‚Authentizität’ nicht zuletzt zu Bildung von Mythen beiträgt. Insofern soll dieses Symposium als Moment des Gesprächs zwischen Musikwissenschaftlern, Praktikern und Publikum verstanden werden.
Organisation:
Michael Posch, Abteilung Alte Musik
Konservatorium Wien Privatuniversität
Michele Calella, Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik
Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien
Erwin Barta, Internationale Musikforschungsgesellschaft
Konzerthaus
Programm:
Donnerstag, 24. 1.
Schönberg-Saal, Wiener Konzerthaus, Lothringerstraße 20, 1030 Wien
14:00
Erwin Barta, Michael Posch, Michele Calella
Begrüssung der Organisatoren
Grundfragen
(Moderation: Michele Calella)
14:45 Reinhard Kapp (Wien)
Was heißt „historische Aufführungspraxis“?
15:30 Pause
15:45 Martin Elste (Berlin)
Historisierende Aufführungspraxis zwischen Wissenschaft, Markt und Mode
16:30 Angela Romagnoli (Cremona)
"e la fatal contesa non è decisa ancor" : die stürmische Beziehung zwischen Textkritik und Aufführungspraxis in der "Alten Musik"
Freitag, 25. 1.
Schönberg Saal
Aufführung und Text
(Moderation: Birgit Lodes)
9:00 Thomas Schmidt-Beste (Bangor)
Text und Gesang: Die Praxis der Textunterlegung zwischen Mittelalter und Neuzeit
9:45 Nicoletta Gossen (Basel)
„Und immer wieder war es die Lerche…“: Zur Interpretationsgeschichte eines Mittelalter – Hits
11:00 Pause
11:15 Edward Wickham (Cambridge)
Faction and Ficta: a Performer's-Eye View of Accidentals
12:00 Andrea Lindmayr-Brandl (Salzburg)
Instrumental oder vokal, das ist die Frage: Zu Besetzungsstrategien im frühen Deutschen Lied
Stimmen und Instrumente
(Moderation: Michael Posch)
14:00 John Potter (York)
Singers and Early Music: Historically Informed Hyperreality
14:45 Peter Van Heyghen (Antwerpen)
Blockflöte und historische Aufführungspraxis – das Wasser ist noch sehr tief...
16:00 Pause
16:15 Luciano Contini (Wien)
Il liutista alla moda: Sachkenntnis, Aufführungspraxis und Markt
Samstag 26. 1.
Abteilung Alte Musik der Konservatorium Wien Privatuniversität,
Singerstraße 26/2, Seminarraum
9:30-12:30 Workshop von Peter Van Heyghen
Schönberg-Saal
Jenseits der Tasten
(Moderation: Erwin Barta)
14:00 Jesper Christensen (Basel)
"Loudies and Softies": Die Continuo-Gruppe im historisch informierten Zeitalter zwischen Mode und Quelle
14:45 Siegbert Rampe (Tempe AZ)
Mode oder Aufführungspraxis? Einige Beispiele zur Interpretation der Tastenmusik des 17. und 18. Jahrhunderts
15:30 Pause
16:00-17:30 Roundtable
(Moderation: Bernhard Trebuch)
Wissenschaft und Produktionsbedingungen: ein Widerspruch der „historischen“ Aufführungspraxis?
René Clemencic (Wien), Peter van Heyghen (Antwerpen), Christian Lackner (Wien), Ranko Markovic (Wien), Dietmar Pieckl (Klagenfurt), Siegbert Rampe (Tempe AZ)